Die Ikone: ein Abbild
des vergöttlichten Menschen
„Die der Ikone
dargebrachte Verehrung geht auf den darin
Dargestellten über.“
(Hl. Basileios der Große)
Wenn der
Mensch Abbild und lebendige Ikone Gottes ist, dann ist
die Ikone
ihrerseits ein Fenster, durch das wir das Antlitz des
vergöttlichten und zur Gottähnlichkeit gelangten Menschen
sehen und
letztlich
Gott schauen. Jede Ikone ist ein Fenster, das auf eine andere
Wirklichkeit
als sich selbst verweist. So wie ein Fenster erst dadurch
zum
Fenster wird, dass es ein dahinter liegendes Lichtfeld zugänglich
macht,
ebenso wird auch eine Ikone erst zur Ikone, wenn es uns zum
Heiligen
oder zum Heilsereignis führt, die sie abbildet. Ein Fenster ohne
Verbindung
zum Licht ist ein totes Ding bzw. eine schlichte
Glasscheibe.
Ebenso bliebe eine Ikone ein bemaltes Holzstück oder gar
ein Götze, wenn sie uns nicht auf
jemanden verweisen würde, wenn sie
uns nicht
in Verbindung mit Jesus Christus und den Heiligen setzen
würde. Die Ikone wird zur Ikone
in dem Maße, in dem sie mehr wird
als sie an
sich ist und sich in himmlische Schau verwandelt. Sie kann
unmöglich für sich bleiben, denn dann wird
sie zum bemalten Brett oder
Glas . Der
heilige Basileios der Große hat bereits im 4. Jahrhundert die
Verbindung
zwischen Ikone und ihrem Prototyp ausgezeichnet
formuliert:
„Die der Ikone dargebrachte
Verehrung geht auf den darin
Dargestellten
über“ . Wenn wir uns vor einer Ikone
befinden, dann
sollten
wir nicht die Ikone, sondern den darin abgebildeten Heiligen
sehen, mit
ihm in Verbindung treten und seine geistliche Gegenwart
spüren. In unserem Bewusstsein
sollte keine Darstellung, sondern die
dargestellte
Person erscheinen. Um zu unserer Analogie zurück zu
kommen:
Durch das Ikonenfenster sollten wir den von der Ikone
enthüllten Heiligen sehen. Der
Ikonenmaler wird so für uns zu einem
Mysterienentdecker,
der im künstlerischen Akt nicht schafft, sondern im
Grunde den
Vorhang über einer objektiven Wirklichkeit lüftet, die er uns
entdeckt.
Die Ikone Christi
„Vor deinem allreinen
Bilde fallen wir nieder, o Gütiger.“
Wenn
Christus der Archetyp ist, nach dessen Abbild der Mensch
erschaffen
wurde, und dieser somit die lebendige Ikone Christi ist, dann
liefert
uns die gottmenschliche Person Christi auch den Prototyp jeder
Ikone. Es
wurde bereits gezeigt, dass wir den unsichtbaren Gott
ikonisch
nicht abbilden können. Doch wir können das, was uns
erschien,
was wir erkannten, können Jesus Christus den Gottmenschen
darstellen.
Es wurde gezeigt, dass das Antlitz unseres Herrn Jesus
Christus,
des wahren Gottes und des wahren Menschen, in Bildern
dargestellt
werden kann, und dass der Mensch nach dem Abbild Gottes
geschaffen
ist. Ebenfalls wurde deutlich, dass sich im Menschen, der
sich auf
dem Weg der Vervollkommnung befindet und Gott ähnlich
wird,
etwas aus Gott spiegelt. Um nun zu verstehen, was die Ikone ist,
werden wir
den Beschluss des Quinisextum aus dem Jahr 692
anführen:
„In manchen Darstellungen findet man das Lamm, auf das der
Vorläufer deutet; dieses Lamm wurde
als Gnadenurbild verstanden, das
durch
Vermittlung des Gesetzes das wahre Lamm, Christus unseren
Gott,
vorversinnbildlicht. Freilich verehren wir die Abbilder und
Schatten
als Symbole und Bilder der Kirche, doch wir ziehen die Gnade
und die
Wahrheit vor, indem wir diese Wahrheit als Erfüllung des
Gesetzes
annehmen. Wir legen also fest, dass fortan das Vollkommene
allen
durch Gemälde veranschaulicht werde, so dass anstatt des Lammes
des Alten
Bundes jener gemäß seiner menschlichen Natur dargestellt
werde, der
die Sünden der Welt getragen hat: Christus unser Gott. Auf
diese
Weise verstehen wir den Lobpreis der Demut des Gott-Logos und
gedenken
seines leiblichen Erdenwandels, seines Leidens und
heilbringenden
Todes, und der hieraus entspringenden Erlösung, die er
der Welt
geschenkt hat.“
Dieser Kanon
definiert die Verbindung zwischen Ikone und dem
Dogma der
Menschwerdung als leibliches Leben Christi. Er besagt,
dass uns
die Ikone das abbildhafte Antlitz Jesu Christi, des Mensch
gewordenen
Gottes zeigt, der zu einer bestimmten Zeit gelebt hat. Der
Inhalt des
Heiligenbildes kann sich jedoch nicht auf die bei weltlichen
Porträts übliche Darstellung des Herrn
Jesus Christus als gewöhnlichen
Menschen
beschränken, die uns lediglich an sein Leben, sein Leiden
und seinen
Tod erinnern würde. Der Dargestellte unterscheidet sich hier
aber von
den anderen Menschen. Er ist kein beliebiger Mensch, sondern
der
Gott-Mensch. Auch wenn das gewöhnliche Bild eines Menschen
sein Leben
zeigen kann, seine Herrlichkeit zeigt es uns nicht.
Demzufolge
macht die schlichte Wiedergabe des historischen
Geschehens
ein Bild noch nicht zur Ikone. Um es zu werden, muss ein
Bild uns – mit den Mitteln der figürlichen Kunst – zeigen, dass der
Abgebildete
„Christus unser Gott, das Lamm,
das die Sünden der Welt
trägt“, ist und die Herrlichkeit Gottes widerspiegeln . In der Ikone
begegnet
uns die Weitergabe eines wahrheitsgetreuen und konkreten
Bildes
einer historischen Wirklichkeit, wodurch eine eschatologischgeistige
Wirklichkeit
enthüllt wird. Die Bedeutung des 82. Kanons des
Quinisextum
besteht in der Festschreibung kirchlicher Kunst als
Weitergabe
historischer und göttlich offenbarter Wirklichkeit, die in
jenen
Formen ausgedeutet wird, die der geistigen Erfahrung der Kirche
entsprechen
. Die Ikone ist nicht das Bild der göttlichen Natur, sondern
das Bild
einer Mensch gewordenen göttlichen Person – sie tradiert die
Züge des Gottessohnes, der
sichtbarer Mensch wurde, und somit mit
menschlichen
Mitteln darstellbar .
Die
schwierige Aufgabe der Ikonographie besteht demzufolge
darin,
Christus als wahren Gott und wahren Menschen darzustellen.
Um also
sowohl das Gott- als auch das Menschsein Jesu Christi
wiederzugeben,
haben die Ikonenmaler auf mehrere Lösungen
zurückgegriffen. Eine davon ist der
große Heiligenschein, der nur bei
der Person
Christi ein Kreuz aus Strichen enthält. Im Rahmen der
Kreuzarme
finden sich die Wörter „ὁ ὤν”, die Moses vor dem
brennenden
Dornbusch als Offenbarung des Namens Gottes hörte: „Ich
bin, der
ich bin” oder schlichtweg „das Sein”. Hinzu kommen die
Initialien
des Namens des Erlösers „ΙΣ ΧΣ“ als Abkürzung von Jesus
Christus.
Die strengen aber schönen und oft golddurchwirkten
Ausschmückungen Christi sollen uns
daran erinnern, dass er höher
steht als
die Könige und Kaiser. Die benutzten Farben suggerieren
Göttlichkeit und Macht. Die
Rechte Christi segnet, weil er in die Welt
kam, um zu
erlösen und nicht zu befehlen . Meist formen seine Finger
die erwähnte Abkürzung seines Namens „ΙΣ ΧΣ“. In der Linken hält er
das
heilige Evangelium und erinnert dadurch daran, dass wir ihn in
seinen
eigenen Worten finden, die von Zeugen aufgeschrieben und von
der Kirche
gehütet wurden.
Die
Herrlichkeit der Gottheit ist zugleich auch die des Leibes, wie
der hl.
Johannes Damaskenos sagt. Der ganze Leib Christi ist von
Göttlichkeit durchdrungen und
verklärt. Beispielsweise sehen wir bei
der
Betrachtung der Ikone der Taufe Jesu in seiner Nacktheit keinen
König, sondern einen zweiten Adam
. Doch es handelt sich um den
Adam, auf
den der Heilige Geist in Gestalt einer Taube herabsteigt und
den der Vater
aus dem Himmel als seinen geliebten Sohn bezeugt . Es
handelt
sich um den gehorsamen Sohn des Vaters, so wie ihn sich Gott
im ersten
Adam gewünscht hat und wie auch wir berufen sind zu
werden.
So wie
Christus sich mit dem Menschen vereinte, so ist dieser
gemäß den Kirchenvätern, angefangen mit Irenäus und Athanasios dem
Großen dazu berufen, sich mit Gott
zu vereinen. In der Ikone Christi
besitzen
wir ein Vorbild, zu dem wir alle, die wir Gott ähnlich werden
wollen,
streben können. Wir können Christus nicht mehr leiblich sehen
und seine
historische Gestalt kennenlernen, doch wir können ihn
erkennen,
so wie ihn uns die Kirche ikonisch zeigt. Mittels der Ikone
lernen wir
ihn kennen, reden mit ihm und bekommen die Kraft, uns
nach
wachsender Ähnlichkeit mit ihm zu sehnen. Seine Ikone ist für uns
ein
Fenster, durch das wir Christus sehen, eine Tür, durch die wir
Zugang zu
ihm haben. Wenn wir dann vor seiner Ikone stehen, treten
wir
unmittelbar vor ihn und in Gemeinschaft mit ihm.
Die Heiligenikonen
„So soll euer Licht vor
den Menschen leuchten, damit sie eure
guten Werke sehen und
euren Vater im Himmel preisen.“ (Mt 5,17)
Ähnlich verhält es sich auch mit den Ikonen
der Heiligen. Während
wir aber
in der Christusikone das Mysterium der Einigung Gottes mit
dem Menschen
in der Person des Sohnes Gottes schauen, betrachten
wir in den
Heiligenikonen Menschen, die Gott ähnlich wurden bzw. –
orthodox
gesprochen – vergöttlicht wurden, zu Geistträgern und
Göttern der Gnade nach wurden.
Die
Kirchenväter des 7. Ökumenischen Konzils unterscheiden
feinsinnig
zwischen Ikone und Porträt. Während das Porträt ein
gewöhnliches menschliches Wesen
darstelle, bilde die Ikone einen mit
Gott
vereinten Menschen ab und zeige die Teilnahme des Menschen am
göttlichen Leben an. Der
Unterschied liegt demnach im Inhalt, der jene
für die Ikone spezifischen
Ausdrucksformen schafft, die sie von jedem
anderen
Bild abhebt. Die Ikone zeigt uns das Bild des verklärten
Menschen – verklärt von der göttlichen Gnade, die in ihm
wohnt, die
sündhaften Triebe bändigt und das ganze menschliche
Wesen heiligt.
Auch wenn
die Kirche bei der Darstellung Christi, der Heiligen
und der
Heilsereignisse die historische Wirklichkeit mit großer
Genauigkeit
wiederzugeben trachtet, um die unmittelbare und lebendige
Beziehung
zur dargestellten Person zu ermöglichen, so wird der Körper
der
Heiligen, d.h. ihr Fleisch, anders als das gewöhnliche und
vergängliche Fleisch dargestellt.
Die Farben der Ikone geben die Farben
des
menschlichen Körpers wieder, allerdings nicht seine natürliche
Fleischlichkeit,
denn es geht hier um mehr als die Wiedergabe
physischer
Schönheit. Die Schönheit der Ikone wird erreicht durch die
geistige
Reinheit, die innere Schönheit aus dem Heiligen Geist bzw. die
vom
Menschen erlangte Gottähnlichkeit. Die in der Ikone vorgeführte
Heiligkeit
wird nicht vorausgesetzt, sondern ist unseren leiblichen
Augen
sichtbar. Sie zeigt uns die Heiligung des Menschen als Tatsache,
die von
Christus in der Verklärung offenbart und vom heiligen
Erzdiakon
Stephanus als treuem Nachfolger und erstem Märtyrer
verwirklicht
wurde. Die Ikone ist die ernste und unexaltierte
Überlieferung einer bestimmten
geistigen Wirklichkeit. Ihr Sinn und
Sinnzweck
ist das Aufzeigen der Erben der Unvergänglichkeit und
Söhne des himmlischen Königreiches, das diese bereits während ihres
irdischen
Lebenslaufs vorabbilden. Dementsprechend bestehen
Sinnzweck
und Wert einer Ikone nicht in ihrer objektiven Schönheit,
sondern im
Dargestellten als Abbildung der Schönheit als
Gottähnlichkeit.
In den
Viten der Heiligen begegnen wir oft Zeugnissen über ein
Licht, das
ihre Antlitze von innen erleuchtete, so etwa den heiligen
Stephanus
bei seinem Märtyrertod oder im Alten Testament Mose bei
seinem
Herabsteigen vom Berg Sinai. Dabei leuchtete sein Gesicht so
stark, dass
die Menge es nicht ertragen konnte und er es mit einem
Schleier
verdecken musste . Die Ikone übersetzt dieses
Leuchtphänomen durch den Heiligenschein,
wie wir es anhand der
Christusikone
gesehen haben. Das auf den erhabenen Gesichtern der
Heiligen
leuchtende und ihr Haupt umgebende Licht besitzt dabei eine
sphärische Form. Dies ist keine
Allegorie, sondern zeigt uns
symbolisch
eine konkrete Wirklichkeit, nämlich den inneren Zustand
des
Menschen, dessen Antlitz stärker als die Sonne leuchtet .
Denselben inneren
Zustand offenbaren die Kleider der Heiligen
nach außen. Die Kleidung ist, wie wir
wissen, eine Fortsetzung des
Körpers nach außen. Aus künstlerischer Perspektive ist
die Kleidung
eine
Darstellungsform des Menschen. In diesem Sinn werden auch die
Gewänder der Heiligen so
dargestellt, dass sie den Körper auf
natürlichste Weise umhüllen ohne den heiligenmäßigen Zustand zu
verbergen,
sondern indem sie diesen hervorstreichen. Das Gewand
unterstreicht
das Verhalten und Wirken des Menschen und wird
demnach
zum Bild seines unverweslichen Lichtgewandes. Einerseits
drückt das Gewand eine historische
Wirklichkeit aus, andererseits gibt
es die
Herrlichkeit des Himmelreiches wieder.
Die
Ikonenmaler sind somit berufen, eine Wirklichkeit
wiederzugeben,
über die sie nicht frei verfügen können. Laut dem 7.
Ökumenischen Konzil ist der Künstler nur für die technische Seite der
Ikonenausführung zuständig, während deren Kanonizität, d.h. ihre
Organisation,
ihr Aufbau und ihre Komposition von der Kirche
abhängen, die der fertigen Ikone
die von ihr verkündete Wirklichkeit
zuerkennen
muss. So könnte man sagen, dass der wahre Urheber der
Ikone die
Kirche bzw. ihre Heiligen sind: zum einen die dargestellten
Heiligen
und zum anderen die heiligen Ikonenmaler, die das Heilige
wahrnehmen
und durch die gestalterischen Mittel des Ikonenhandwerks
wiedergeben
können, denn ohne den Prototyp einer Ikone gesehen oder
gekannt zu
haben könnten sie ihn auch nicht abbilden. Wem diese
Wirklichkeit
fremd ist, der wird offensichtlich auch ein falsches Bild
davon
liefern. Die Ikonenmaler sollten Zeugen sein bzw. mithilfe der
Farben ein
Zeugnis abgeben, das nicht sich selbst oder seine hohe
Kunst
bezeugt, sondern die Heiligen, die Zeugen des Herrn und
dadurch
Gott selbst . Sowohl Ikonenmalerei als auch -verehrung haben
als
letzten Gegenstand Gott, den wir durch die Heiligen verehren, die er
zu seinen
Freunden gemacht hat.
Dies wird
an der Ikone der Gottesmutter besonders deutlich. Sie ist
die erste
und größte unter den Heiligen, wobei heilig hier einen
Menschen
bezeichnet, der in Christus lebt und für den nichts wichtiger
ist als
das Leben nach dem Willen Gottes . Die ihr verliehene
Auszeichnung
„Gottesgebärerin“ (Θεοτόκος) umfasst in den Augen
von
Johannes Damaskenos, dem größten Ikonenverfechter, das gesamte
Mysterium
der Menschwerdung. Da die Jungfrau Maria zum
Begenungsort
von Himmel und Erde, Göttlichem und Menschlichem
geworden
ist, wird in den orthodoxen Kirchen die Ikone der
Verkündigung auf die Königstüren gemalt. Diese sind der
Haupteingang
zum Heiligsten, das wiederum gemäß dem kirchlicharchitektonischen
Symbolismus
für das Himmelreich steht. Vor den
Königstüren empfängt jeder Getaufte den Leib und
das Blut Christi. So
handeln
wir bei der Eucharistie dann auch wie die Jungfrau Maria, die
in der
Verkündigung Christus mit Leib und Seele in sich aufnahm .
Die Ikonen
der Heiligen sind ein Zeugnis der Synergie zwischen
Gott und
Mensch. In ihnen werden uns ebenso viele Wege Christus
ähnlich zu werden dargestellt
wie die Zahl der Heiligen. Indem wir sie
verehren
tun wir nichts anderes als Hausgenossen und Freunde Gottes
zu werden
in einer Welt, die uns fassbare Vorbilder und Hilfestellungen
auf dem
Weg zu unserem Heil bietet.
Zum Schluss ein Zeugnis
„Wundersam ist Gott in
seinem Heiligtum.“ (Ps 68,36)
Ohne
Ikonen wäre unsere geistige Welt viel zu arm. Arm deshalb,
weil die
Ikonen unseren Herrn Jesus Christus, die Muttergottes und alle
Heiligen
mitten unter uns gegenwärtig machen. In der Ikone erkennen
wir das
liebende Antlitz Gottes und dass er uns nahe kam, einer von uns
und unser
Bruder wurde. Gleichermaßen erkennen wir die
Gottessehnsucht
der Heiligen, ihre Menschenliebe und ihren Kampf um
immer größere Gottähnlichkeit. Auch wenn niemand
anwesend ist, sind
wir in
einer mit Ikonen ausgemalten bzw. ausgeschmückten Kirche
nicht
allein, sondern zusammen mit Gott und seinen Freunden, deren
Gegenwart
uns die Ikonen vermittelt, mit denen wir im Gebet
Zwiesprache
halten, vor denen wir niederknien und die wir küssen,
wenn wir
uns ihrem Farbantlitz nähern.
Vor einigen
Monaten wurde mir die große Freude zuteil, zum
ersten Mal
das orthodoxe Kloster von Maldon (bei London) zu
besuchen,
dessen Kirche als erste den heiligen Siluan vom Athos zum
Patron
hat. Dieser war russischer Herkunft und lebte zwischen
1892-1938
auf dem Athos. Sein Mönchsleben war geprägt von
vollkommenem
Gehorsam und vollkommener Demut, so dass sein
inneres
Seelenleben den meisten Mitbrüdern in seinem Kloster
Panteleimon
verborgen blieb. Nach dem Tod erwies er sich dann aber
durch
seine Aufforderung, alle Menschen zu lieben und für alle Völker
zu beten,
als prophetischer Heiliger unserer Tage. Nach Anerkennung
seiner
Heiligkeit und inneren Größe gelangte er bereits 1987 in die
Reihe der
Heiligen, so dass die Kirche von Maldon unter seinen Schutz
gestellt
werden konnte. Als Folge davon befindet sich in der Ikonostase
der
Hauptkirche des Klosters seine Ikone neben der Christusikone.
Als ich
zum ersten Mal die Ikone des heiligen Siluan neben der
Ikone
unseres Herrn Jesus Christus sah, fiel ein Nebelschleier von den
Augen
meines Verstandes. Der vor 80 Jahren verstorbene Siluan wurde
durch
seine Lebensweise zu einem Sohn des Himmelreiches, zum
Hausgenossen
und Freund Jesu, mit dem er in der ewigen Herrlichkeit
Gottes
lebt. Die neben die Christusikone gestellte Ikone des Heiligen
gibt dafür Zeugnis ab und ist ein Ruf zu
derselben Herrlichkeit und eine
Ermunterung,
diese zu erlangen.
Mögen wir auf solche Weise leben,
dass wir uns mehr und mehr in
wahrhafte
Abbilder Gottes verwandeln – mögen wir mehr und mehr zu
Ikonen
werden!
+ Bischof Sofian von
Kronstadt
München, den 13. Juni 2008
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